Haithabu-Tasche nadelgebunden
- danaerdtmann
- 12. Feb. 2024
- 4 Min. Lesezeit

Das wichtigste, um eine Haithabu-Tasche herzustellen, sind die Taschengriffe. Diese bekommt ihr seltener an Marktständen, dafür online aber umso häufiger. Meine Taschengriffe habe ich von einer kleinen Reenacment-Messe in Minden.
Die Taschengriffe sind tatsächlich das einzige von der Tasche, das bei Ausgrabungen bisher gut erhalten gefunden wurde. Man nimmt also nur an, dass es sich um Taschengriffe handelt und es ist nicht bekannt, ob die eigentliche Tasche z.B. nadelgebunden oder aus Stoff oder Leder genäht war. Wir können unserer Kreativität somit freien Lauf lassen!
Für mich stellte dies eine gute Gelegenheit für mein erstes Nadelbinden-Projekt dar. Dabei fing ich während des Nadelbindens unweigerlich an, mit anderen Handarbeitstechniken zu vergleichen:
Nadelbinden vs. Häkeln/Stricken
Beim Häkeln/Stricken arbeitet man von rechts nach links, beim Nadelbinden von links nach rechts.
Beim Häkeln/Stricken kann man mit einem endlosen Faden arbeiten, beim Nadelbinden muss man sich immer einen etwa eine Armspannweite langen Faden abreißen und jedes Mal den nächsten Faden an den vorherigen anfilzen. Dadurch ist Nadelbinden insgesamt auch zeitaufwändiger als Häkeln/Stricken.
Häkel-/Strickarbeiten lassen sich wieder aufribbeln (+), aber können auch Laufmaschen bekommen (-). Nadelgebunde Arbeiten lassen sich nicht wieder aufribbeln (-), können dafür aber auch keine Laufmaschen bekommen (+).
Auch wenn die eigentliche Technik eine ganz andere ist, ähnelt der Runden-Aufbau von nadelgebundenen Werken sehr stark dem Häkeln, was mir beim Entwerfen meiner Tasche sehr geholfen hat. Allerdings liegen die entstehenden Maschen/Schlingen nicht wie beim Häkeln direkt über der gerade gearbeiteten Masche/Schlinge sondern eher 1 Masche weiter links/vorher, sodass man beim Zunehmen in den Ecken, immer 1 Masche weiter (rechts) arbeiten muss, verglichen mit dem Häkeln.
Meine zwei kombinierten Quellen, um Nadelbinden zu lernen, möchte ich euch nicht vorenthalten:
Buch: Nadelbinden - Was ist denn das?: Geschichte und Technik einer fast vergessenen Handarbeit von Ulrike Claßen-Büttner
diverse YouTube-Videos
Material


2 Haithabu-Taschengriffe, 30 cm
100 g Rico Design "Essentials Organic Wool aran" (100 % Schurwolle, LL 85 m/50 g) in Braun (Fb. 3)
Knochennadel zum Nadelbinden und/oder große Wollnadel
Wasser zum Nassfilzen
natürliches Holzöl zum Imprägnieren, z.B. Leinöl-Firnis
Schwämmchen & Wattestäbchen
Jutekordel, 6 mm, ca. 130 cm
Schere
Anleitung
Tasche

Technik: Oslo-Stich F2
Der Oslo-Stich gilt als einer der einfachsten Stiche und ist somit super für Einsteiger geeignet.
F2 bedeutet, dass der Verbindungsstich von vorne (front) in 2 Schlingen gleichzeitig gearbeitet wird: die nächste und die vorherige (s. Abb. links).
Beim Arbeiten von 3 Verbindungsstichen in 1 Schlinge (= Zunahme um 2) habe ich den 1. Stich normal als F2 gearbeitet und die weiteren 2 Stiche als F1, also nur in eine der beiden Schlingen.

WLS = Wendeschlinge(n), * = 3 Verbindungsstiche in 1 Schlinge arbeiten
Maschenprobe (10 cm x 10 cm): 16 Maschen auf 10 Reihen
36 Luftschlingen und 2 Wendeluftschlingen anschlagen
Arbeit wenden und in 2. Schlinge (auf die 1. zu durchstechende Schlinge des Verbindungsstiches bezogen) von der Nadel aus gesehen weiterarbeiten (s. nächste Abb.):
1. Rd: 35 Verbindungsstiche, 3 Verbindungsstiche in eine Schlinge arbeiten, auf der Unterseite 35 Verbindungsstiche, 3 Verbindungsstiche in eine Schlinge zurücknadeln (= 76 Schlingen)
Auf Grund der oben bereits erwähnten Verschiebung der Schlingen um 1 nach links, die sich auf den Ort der Zunahme auswirkt, kann ich euch ab hier keine exakte Anleitung mehr liefern. Ihr müsst pro Runde schauen, wo die Ecken gearbeitet werden müssen.
2. Rd: Insgesamt 4 Zunahmen arbeiten (= 4x je 3 Verbindungsstiche in 1 Schlinge). Dabei werden zwischen den 2 Zunahmen der kurzen Seite 1 Verbindungsstich normal gearbeitet und zwischen den 2 Zunahmen der langen Seite 35 Verbindungsstiche normal gearbeitet (= 84 Schlingen)
3. Rd: Insgesamt 4 Zunahmen arbeiten (= 4x je 3 Verbindungsstiche in 1 Schlinge). Dabei werden zwischen den 2 Zunahmen der kurzen Seite 3 Verbindungsstiche normal gearbeitet und zwischen den 2 Zunahmen der langen Seite 37 Verbindungsstiche normal gearbeitet (= 92 Schlingen)
4. Rd: Insgesamt 4 Zunahmen arbeiten (= 4x je 3 Verbindungsstiche in 1 Schlinge). Dabei werden zwischen den 2 Zunahmen der kurzen Seite 5 Verbindungsstiche normal gearbeitet und zwischen den 2 Zunahmen der langen Seite 39 Verbindungsstiche normal gearbeitet (= 100 Schlingen) (s. übernächste Abb.)
Wenn ihr keinen Taschenboden möchtet, schlagt direkt 50 Luftschlingen und 2 Wendeluftschlingen an und arbeitet keine Zunahmen.


Ab jetzt arbeitet ihr einfach immer in Spiralrunden weiter, bis eure Tasche genauso hoch wie breit ist. Im Idealfall sind das 30 cm, so wie die Taschengriffe lang sind.
Faden abschneiden, letzte 2 Schlaufen festziehen und Fäden vernähen.

Taschengriffe
Um die Taschengriffe zu imprägnieren, habe ich sie mit Hilfe eines Schwämmchens mit Leinöl-Firnis bestrichen. An engen Stellen habe ich Wattestäbchen benutzt, diese fusseln aber etwas durch die leicht raue Oberfläche des Holzes. Danach habe ich die Taschengriffe ein paar Tage trocknen lassen.

Als nächstes habe ich Tasche und Taschengriffe verbunden. Dafür habe ich zunächst einen ca. 3 m langen Wollfaden abgerissen. Mit einer Wollnadel (meine Knochennadel passte nicht durch die Schlitze im Holz) habe ich dann wie bei den Verbindungsstichen immer in 2 Schlingen gleichzeitig eingestochen und im Bereich der Schlitze den Faden zusätzlich durch den jeweiligen Schlitz gefädelt, bevor ich mit der Nadel in die nächsten 2 Schlingen eingestochen habe. So habe ich einmal komplett um die Taschenöffnung herum genadelt und die beiden Fadenenden zum Schluss verknotet, abgeschnitten und vernäht.

Taschengurt
Für den Taschengurt habe ich eine ca. 130 cm lange Jutekordel zurechtgeschnitten sowie 2 Wollfäden á ca. 240 cm. Diese 3 Stränge habe ich miteinander verflochten und je ein Ende durch beide Taschengriffe gefädelt und einen Knoten hinein gemacht.

Und damit war meine Tasche endlich fertig!


Zugegebenermaßen, dies ist bereits meine 2. Nadelbinde-Arbeit. Mein erster Taschen-Versuch geriet zu klein (78 Schlingen, 50 g), aber passt mir dafür jetzt perfekt als Mütze.

Ich hoffe, euch gefällt meine Version einer möglichen Haithabu-Tasche. Habt ihr schon eine Haithabu-Tasche selbst hergestellt und wenn ja, wie? Schreibt's gerne in die Kommentare.
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